Dr. Eva- Suzanne Bayer, Kunsthistorikerin,
KIeiststr. la , 97072 Würzburg

Auch Isolde Broedermann hat ihrem immer ähnlichen Bildvokabular eine völlig neue Variante abgewonnen. Sie arbeitet nun in Serien, komponiert drei oder vier Bilder, die ein gemeinsamer Grundtenor trägt, zusammen. Sie spannt ihre flutenden, driftenden Quadrate jetzt in stark farbige, innen, mittig oder außen stehenden Horizontal- und Vertikalrahmen.

In diesen Rahmen dekliniert sie bestimmte Farben durch die Bilder. Ist in dem einen Gemälde der Rahmen im Zentrum, so wandert er zum Beispiel in den folgenden Arbeiten von innen nach außen; er wird gelb dann rot, dann orange und schließlich, ganz außen braun. Das gibt dem sanften Schweben der Quadrate Halt und Grenze. Mindestens fünf Raumfolien baut die Künstlerin hintereinander. In der unteren Schicht gleiten leichte Quadratensembles diagonal über die Bildfläche.

Die Quadrate sind wie Bausteine ineinander geblendet und jedes Formzeichen hat seine eigene, im ganzen Blatt nicht mehr wiederholte Tönung. Manchmal ist das innerste Quadrat das hellste und pumpt zentrifugal Liebt in die wesentlich dunkleren Außenzonen. Dann wieder kulminiert außen der Helligkeitswert und wird bis zu Mitte zentrifugal abgedunkelt.

Diese Quadratformationen überlagern und überschneiden sich, überdecken und unterwandert sich. Millimeter dünn scheint der Raum in dem sie sich bewegen. In der zweiten Folie stabilisieren sich die Farben in den die Quadrate übergreifenden Rahmen. Sie stehen wie die Wächter in der "Zauberflöte" und scheinen jedem andrängenden Quadrat eine Geheimparole abzuverlangen, bevor sie sie passieren lassen. In der nächsten Raumschicht scheint Isolde Broedermann der kühlen Ordnung ihrer Kompositionen müde geworden zu sein.

Gestisch und sehr lebendig hüpfen hier kräftige Punkte und Flecken wie Ausreißer über die Geometrie und drehen dem strengen Takt eine Nase. Doch auch sie müssen zurückstecken, wenn sich in der nächsten Folie nun leuchtende Goldspritzer aus Blattgold in den Vordergrund drängen. Diese Goldflecken geben dem Bild etwas Feierliches, überaus Elegantes. Das edle Material steht aber im Kontrast zu der übermütigen, wie hingespritzten Fleckformen.

Hier wird das Licht gesammelt, hier bekommt das Reglement der Form einen knitzen Höhepunkt, so entsteht eine eigentümliche Spannung zwischen Geometrie und Fleck, zwischen Kalkül und Zufall. Doch auch dem Gold gehört nicht das letzte Wort. Auf der obersten Raumfolie erscheinen ganz und gar spontane Schriftzeichen oder Craquelles , hingeschnalzt wie ein Peitschenhieb. So tritt das geometrische Konzept immer wieder in den Dialog mit dem Spontanen, dem Gestischen, dem Zufall.

Isolde Broedermanns Kompositionen könnte man am besten mit Partituren vergleichen. Die Quadrate sind der satte Streicherton. Die Rahmen sind die Blechbläser in tiefen Lagen. Über die fegen die Holzbläser als "bunte Flecken" hinweg, wobei die Gold- Piccolo- Flöte in staccato- Tönen immer frech die Nase hebt Und als letztes wirbelt die kleine Trommel kräftige Akzente ins Tongemälde hinein. Wie die Sätze einer Sinfonie bilden drei oder vier Bilder eine Gruppe. Die Tempi werden durch die Rahmen gesetzt, wobei das Gelb und das Orange immer einen rascheren Takt anschlagen als Purpur und Braun.

Ich kenne Isolde Broedermann nun schon seit vielen Jahren und in jeder Ausstellung überrascht sie mit neuen Varianten ihrer Formmoduln. Erst spielte sie in sehr duftigen Pastelltönen ein bebendes Kammerkonzert zwischen der Strenge und der Leichtigkeit. Dann führte sie vegetative Formen, Silhouetten von Blüten und Blättern zu einem Gespräch zwischen Natur und Kunst zusammen. Mit dem Gold- früher noch aus der Tube- brachte sie den Hauch des Elitären in ihren Dialog der Formen.

Liane Thau M.A. Kunsthlstorikerin

Die Aquarelle von Isolde Broedermann:

Ein Farbenspiel aus Flora, Geometrie und Poesie

Seit Jahren verbindet Isolde Broedermann geometrische und amorphe Formen auf eine spannungsvolle und hintergründige Weise. Ineinander verschachtelte Quadrate gingen mit floralen Mustern, die den eleganten Linienfluss und die Flächigkeit des Jugendstiles mit ihrer dynamischen Handschrift verbinden, eine spielerische Konkurrenz ein. Mit diesen poetischen, in kräftigen Farben leuchtenden Kompositionen hat sie mehrere Gedichtbände gestaltet. In ihrer anschließenden Schaffensphase sind die abstrakt-vegetabilen Motive Naturdarstellungen gewichen, die botanisch erkennbare pflanzen wiedergeben, welche aber durch Farbe und Malduktus eine neue ästhetische Präsenz erhalten. In dieser Weise verfremdet, fügen sie sich in ein konstruktives Flächen -und Raumgeflecht, das sich in vielen Schichten und Überschneidungen aufbaut.

Eine andere Wendung nahmen die Gestaltungsprinzipien der Künstlerin mit Arbeiten, die Geometrie mit dem gewollten Zufall verbanden:

Farbtröpfchen, Spritzer und Kleckse, verbünden sich mit lockeren, krakeligen Pastellstrichen und beleben die konstruktive Komposition mit heiteren Farbreflexen.

Neben Kreiden und metallischen Farben gehört die Neigung Isolde Broedermanns den Aquarellfarben - und sie kennt und nützt deren brillante Eigenschaften: die Strahlkraft dieser Farben, ihre Intensität, die bis zu einem zarten Hauch verdünnt werden kann; die genauen Verläufe, die nur im Aquarell möglich sind; die völlig ebenmäßigen Flächen, die lebendigen Strukturen und natürlich diese wunderbare Transparenz, die es ermöglicht Schichten aus der Tiefe durchschimmern zu lassen. Unendlich vielseitig ist die Aquarellmalerei - aber nur in der Hand des Könners.